Die aktuellen Energiestandards gelten auch für Büros und Einkaufszentren, es wird auf Umwelttechnik gesetzt. Das führt mitunter zu kuriosen Problemen.
Frostig pfeift der Ostwind den Hunderten Bauarbeitern um die Ohren, die derzeit im Norden Helsinkis auf Finnlands größter Baustelle ein Shopping-Center mit 250 Läden samt Büros, Wohnungen und einem Hotel errichten. Noch stehen die Betonwände nackt da, laufend schaffen Lkw Material ins Innere des riesigen Rohbaus. Doch schon im Herbst 2019 soll Tripla, so der Name des Ensembles, eröffnet werden. Wichtigster Finanzier ist der EU-Fonds für Strategische Investitionen (EFSI). Die EU engagiert sich vor allem deshalb hier, weil der Bauherr, der finnische Projektentwickler YIT, Tripla zum Musterbeispiel für energieeffiziente Handels- und Büroimmobilien machen will.
YIT setzt auf allerlei Umwelttechnik, um den Energiebedarf gering zu halten – auf ein komplexes Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung zum Beispiel, auf besonders effiziente Kälteanlagen oder eine sensorbasierte LED-Beleuchtung. Beheizt wird das Gebäude mit Fernwärme. „Tripla wird mit deutlich weniger Primärenergie auskommen, als es das neue finnische Energieeffizienz-Gesetz verlangt“, erklärt YIT-Energieexperte Tommi Kokkonen.
ES GEHT NICHT NUR UM DIE KOSTEN, SONDERN AUCH UM DIE UMSETZBARKEIT DER UMWELTTECHNIK
Anders als Deutschland hat Finnland mit seinen Effizienzvorgaben bereits eine entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die EU verlangt, dass sämtliche Neubauten – Wohnhäuser genauso wie Büro-, Handels- oder Gewerbeimmobilien – ab 2021 als Niedrigstenergiegebäude ausgeführt werden. Für öffentliche Gebäude gilt dies bereits ab 2019. Doch die Definition des Niedrigstenergie-Niveaus hat die Union den Mitgliedsländern überlassen.
In Deutschland streiten Immobilienverbände und Klimaschützer schon seit Jahren, wie dieser Standard aussehen soll: Genügt die derzeit gültige, Anfang 2016 in Kraft getretene Fassung der Energieeinsparverordnung (EnEV), um der Forderung der EU gerecht zu werden? Müssen die Vorgaben der EnEV verschärft werden? Können sie gar gelockert werden? Oder brauchen wir einen ganz neuen Ansatz im Ordnungsrecht?
Umwelttechnik
Besonders starke Kritik an höheren Standards kommt aus der Wohnungswirtschaft. Schon die EnEV 2016 halten Verbände wie der GdW für übermäßig anspruchsvoll. Der dringend benötigte Neubau von Wohnraum werde damit verteuert, so der GdW. Und auch die Entwickler von Handels-, Büro- und Gewerbeimmobilien sind alles andere als glücklich mit der letzten Verschärfung der EnEV. „Die Baukosten sind dadurch gestiegen, ohne dass dem entsprechende Einsparungen bei Energieverbrauch und -kosten gegenüber stehen“, erklärt Maria Hill, Vorsitzende des Ausschusses für Energie und Gebäudetechnik beim Immobiliendachverband ZIA sowie Director Sustainability beim Shopping-Center-Spezialisten ECE.
Doch die Kosten seien bei Nicht-Wohngebäuden gar nicht mal das größte Problem. „Was uns noch mehr bewegt, ist die technische Machbarkeit“, sagt Hill. Was etwa die Dämmung betrifft, sei man längst an einem Limit angelangt. „Bei Einkaufszentren zum Beispiel hat es gar keinen Sinn, stärker zu dämmen, da die Besucher und auch die Beleuchtung viel Wärme abgeben, die dann weggekühlt werden muss“, erklärt die Expertin. Eine weitere Verschärfung der Vorgaben würde es zudem praktisch unmöglich machen, Neubauten mit Erdgas zu beheizen, da der Brennstoff bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs vergleichsweise schlecht abschneidet.
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